Ein stürmischer Wind begleitet unseren Besuch im Januar 2015 in Feldkahl, wo Wolfram Bühler seit vielen Jahren lebt und arbeitet. Ein wenig Schnee ist noch auf den Hügeln des Spessartausläufers zu sehen und vielerorts ist es noch weihnachtlich geschmückt. Da passt es ganz gut, dass der 63 Jahre alte Künstler mit offenem Haar und ganz in weiß gekleidet, die Türe öffnet. Zu sehen gibt es Werke im Erdgeschoss, die teilweise noch in Luftpolsterfolie verpackt sind und später im ersten Stock im Atelier weitere Arbeiten und eine auf einem ausgezogenen schwarzen Esstisch liegende Tuschzeichnung „in progress“.
Hier arbeitet er also, der freischaffende Maler und Grafiker. Seine Umgebung hält er spartanisch und auch die Mal- und Zeichenutensilien im Regal hinter dem Zeichentisch sind klar gegliedert und aufgeräumt. Im Atelier steht auch das Bett des Künstlers. Zwei Rollläden gibt es in diesem Raum: der auf der Bettseite bleibt immer geschlossen, der zur Arbeits- und Zeichenseite ist geöffnet und lässt das Licht hinein. Hell und Dunkel, schwarz und weiß, so wie die Arbeiten Bühlers gestaltet sich auch die Umgebung, in der sie entstehen.
Seine Werke, fast immer geometrisch gestaltet und ausgerichtet, entfalten sich an vorgegebenen Bleistiftskizzen, spinnwebenartig, in den Raum hinein. Nahezu meditativ entsteht so auf Papier oder Karton ein Raum, der dem Betrachter nahezu neue Dimension eröffnet. Denn über die Anschauung des künstlerischen Volumens und der Raumentwicklung entfaltet sich hier gewissermaßen ein spiritueller Raum.
„Visionäre Ästhetik“ nennt der Künstler seine über Jahrzehnte entwickelte Arbeitsweise: „Das Verknüpfen von scheinbar Nicht-Zusammengehörigem ist keine formale Spielerei“, so Bühler, „sondern der Versuch, auf einer nichtlogischen Bewusstseinsebene, Erlebtes mitzuteilen.“
Doch was hat er erlebt und was führte den Künstler und Freimaurer zu dieser zurückgezogenen spartanischen Lebens- und Arbeitsweise im Vorspessart? 1952 im mainfränkischen Goldbach bei Aschaffenburg geboren, blieb der Vater dreier Kinder der Region immer eng verbunden. Früh fand er in Malerei und Zeichnung die Möglichkeit, subjektive Wahrnehmungen in streng geometrische Raster zu überführen. Sie halfen ihm, mystische Erfahrungen, die ihn seit Kindheit begleiten, einzuordnen, in Bildmetaphern fest zu halten und aus der Distanz zu betrachten.
Seine präzisen Konstruktionen dokumentieren mit Farb- und Bleistift organischen Strukturen, die darüber hinaus Bewegung in die strenge Fläche bringen. Ein Höchstmaß an Präzision und Konzentration kennzeichnen zudem seine Werke.
Sich darauf einzulassen, Strukturen zu ordnen und mit einem Höchstmaß an Konzentration zu strukturieren, bedeutet nicht nur innere Reinigung, sondern im nächsten Schritt auch Erkenntnis. „Je schwieriger der Weg“, so Bühler „umso intensiver die innere Reinigung“.
Als wir am Nachmittag das Atelier wieder verlassen, scheint sich diese Erkenntnis auch auf uns zu übertragen und das neue Jahr verheißungsvoll vor uns zu liegen. Voller Vertrauen blicken wir in die Zukunft und vielleicht gelingt es auch Bühlers Credo zu folgen, der da sagt: „unser ganzes Sinnen und Trachten ist ausschließlich darauf angelegt, die Fehlerquelle zu finden und entsprechend zu korrigieren.“
Dr. Ariane Grigoteit
Isabel